Jeder, der die eigene Stimme zum ersten Mal in einem Video, einer Tonaufnahme oder einer anderen ähnlichen Situation hört, ist manchmal nicht so begeistert. Denn sofern wir nicht gerade Sprecher/in mit einer professionellen Ausbildung und überzeugendem Ton sind, haben wir alle schon einmal die Nase gerümpft.
Keine Sorge, du bist nicht allein.
Fangen wir damit an: wenn wir den Klang unserer eigenen Stimme hören, während wir sprechen, nimmt unser Gehirn sie auf eine andere Weise als unsere Umwelt wahr.
Der Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung liegt darin, dass wir beim Sprechen die eigene Stimme nicht ausschließlich über den äußeren Gehörgang hören wie unsere Mitmenschen, sondern auch über das Innen- und Mittelohr.
„Wenn wir reden, ist das so, als würden alle anderen den Klang durch Lautsprecher hören, wir hören ihn aber durch einen Höhlenkomplex in unserem Kopf.“
Martin Birchall,
University College London
Für den veränderten Klang unserer inneren Stimme sind unsere Schädelknochen der entscheidende Faktor. Wenn wir Laute von uns geben, dringen Schallwellen über diese Knochen zum Innenohr vor. Beim sogenannten "Knochenschall" gelangt die Tonfrequenz vom Kehlkopf aus durch den Schädelknochen bis zum Trommelfell. Durch diesen Vorgang klingt die eigene Stimme für einen selbst meist tiefer und voluminöser, als sie es eigentlich ist.
In einer Aufzeichnung entfällt dieser Effekt. Denn beispielsweise Mikrofone (und auch unsere Mitmenschen) nehmen nur den "Luftschall" aus unserem Mund wahr - die Schwingungen, die während des Sprechens im eigenen Körper entstehen und für die tiefen Frequenzen in unserem Kopf verantwortlich sind, gehen verloren. Deswegen klingt für uns unsere eigene Stimme oft merkwürdig fremd.
Unsere Psyche setzt hier auch noch einen drauf und gibt uns die Empfindungen Ärger oder Unbehagen dazu. Denn unsere Stimme ist ein wichtiger Teil unserer eigenen Identität. In unseren Gedanken sprechen wir ebenfalls in unserer verzerrten, aber „gewohnten“ Stimme, auf der unser Selbstbild basiert. Wird diese Erwartung in einer Aufnahme dann nicht erfüllt, haben wir das Gefühl, nicht wirklich der zu sein, für den wir uns selbst halten.
Und weil der Klang zunächst sehr ungewohnt ist, mögen viele den Ton der eigenen Stimme nicht.
Doch es gibt eine gute Nachricht: An diese Diskrepanz kann man sich gewöhnen, denn die Akzeptanz der eigenen Stimme lässt sich trainieren! Das haben uns dann auch die professionellen Sprecher voraus - sie sind es gewohnt ihre Stimme ständig von außen zu hören und nehmen diese damit als natürlich wahr. Je öfter man also der eigenen Stimme auf Aufzeichnungen lauscht, desto mehr gewöhnt man sich an diese und desto größer wird auch das Gefallen daran.
Fazit: Es kommt also gar nicht darauf an die eigene Stimme zu bewerten, sondern erst einmal anzuerkennen, dass diese Stimme sowieso immer von den anderen als natürlich erkannt wird. Der Rest ist dann nur noch Gewohnheitssache. Ganz nach dem Motto: Oft gehört wird zur Normalität.
Funfact: In einer 2013 durchgeführten Studie bewerteten die Teilnehmer mehrere aufgezeichnete Sprachproben. Sie wussten aber nicht, dass ihnen ihre eigene Stimme beigemischt worden war. Diese bewerteten sie in der Tonlage höher als die eigene, gerade weil sie sie nicht als von ihnen selbst produziert erkannten. Insgesamt gelingt es nur 38 Prozent aller Menschen, auf Aufnahmen ihre eigene Stimme sofort zu erkennen!